«Die finnischen Streitkräfte heute und Erfahrungsbericht zur Entwicklung der Krisenreaktionskräfte in der EU und besonders in Finnland»
Das Referat an unserer diesjährigen 120. Hauptversammlung wurde von Major im Generalstab (Maj i Gst) Harri Paldanius, Offizier der finnischen Streitkräfte bestritten. Dieser weilt aktuell als Stipendiat zu Ausbildungszwecken in der Schweiz – im Austauschverhältnis besuchen jedes Jahr zwei Schweizer Offiziere die Finnischen Streitkräfte für je vier Wochen und ein Finnischer Offizier weilt jeweils für drei Monate in der Schweiz. Initiiert und ermöglicht wurde das Referat durch unser Mitglied, und selbst ehemaliger Stipendiat, Bernhard Rüttimann.
Zum Einstieg wurde uns Finnland – in a nutshell – in geographischer, historischer und staatspolitischer Hinsicht präsentiert. Das sicherheitspolitische Umfeld Finnlands wird im Wesentlichen durch die rund 1’300km lange Landgrenze zu Russland im Osten und den finnischen Meerbusen im Süden bestimmt. Letztere bietet Russland Zugang zur Ostsee und ist damit strategischer und wirtschaftlicher Lebensnerv der Grossmacht. Aus seiner Analyse, «der Feind kommt aus Osten», leitete Maj i Gst Paldanius auf für uns eindrücklich klare Art und Weise den unbestrittenen Hauptauftrag der finnischen Streitkräfte ab: die territoriale Verteidigung der Grenze im Osten.
Darauf aufbauend erhielten wir eine kleine Heereskunde der finnischen Streitkräfte – unterteilt in die drei Teilstreitkräfte Heer, Luftwaffe und Marine. Ebenso wurde uns das Wehrpflichtsystem erläutert. Ein besonderes Augenmerk richtete sich dabei auf die Offiziersausbildung. Finnland kennt, wie die Schweiz, die allgemeine Wehrpflicht der männlichen Bevölkerung. In diesem Rahmen können Milizoffiziere bis zum Grad des Majors aufsteigen. In der Regel leistet ein Offizier nach der Einberufung mit 18 Jahren bis zum Abschluss seiner Ausbildung 362 Tage Wehrdienst am Stück. Alsdann wird er in die Reserve eingeteilt, wo er bis zum Alter von 60 Jahren noch rund 100 Tage Dienst leistet.
Im Rahmen geplanter Reorganisationsarbeiten für das Jahr 2010, wird grundsätzlich an der allgemeinen Wehrpflicht festgehalten, indessen ist durch Herabsetzung der maximalen Dienstaltersgrenze, für Soldaten auf 35 Jahre und Offiziere auf 40 Jahre, eine sukzessive Reduktion der Kriegstärke von aktuell 350'000 Mann auf rund 250'000 geplant.
Abschliessend berichtetet unser Referent von seinen Erfahrungen im Rahmen seiner Dienstleistungen in der deutsch-niederländisch-finnischen EU Battlegroup [1] in der ersten Hälfte des Jahres 2007. Als Stabsoffizier im entsprechenden deutschen Gebirgsjäger Bataillon eingesetzt, konnte er uns aus erster Hand über seine Erfahrungen berichten und insbesondere darüber, welche logistischen Meisterleistungen erforderlich sind, um eine solche Battlegroup fristgerecht zum Einsatz bringenzukönnen. Diesbezüglich stellte Maj i Gst Paldanius auch noch Verbesserungspotential auf der Ebene der Union fest und forderte einerseits die Errichtung eines ständigen Operational Headquarters (OHQ) sowie andererseits den Vorbestand eines umfassenden Aktionsplans für sämtliche Battlegroups. Aus finnischer Sicht profitieren die Streitkräfte durch die Beteiligung an der europäischen Kriseninterventionspolitik sowohl durch einen Gewinn an Know-how wie auch insbesondere in sicherheitspolitischer Hinsicht.
[1] Eine EU Battlegroup (EUBG) ist eine für jeweils ein halbes Jahr aufgestellte militärische Formation der Krisenreaktionskräfte der Europäischen Union. Durch die Bereithaltung, jeweils zweier EUBG pro Halbjahr, wird der politische Auftrag für eine rasche Reaktion auf auftretende Krisensituationen umgesetzt. Laut Vorgabe muss eine EUBG innerhalb von 10 Tagen ab EU Ratsbeschluss einsatzbereit und nach weiteren 5 Tagen im entsprechenden Einsatzland sein. Diese Vorgabe gilt für sämtliche Operationen in einem 6’000km-Radius um Brüssel. Durch die gleichzeitige Bereitschaft von zwei EUBG sollen parallel zwei unabhängige Missionen geführt werden können.